Die Strecke vom chilenischen Puyehue-Nationalpark über den Grenzpass Cardenal Samoré in den argentinischen Nahuel Huapi Nationalpark ist einmalig. Wir haben bestes Wetter und vorgestern gab es jede Menge Neuschnee. Nun fahren wir (auf geräumter Straße) durch ein Winterwonderland, unberührte, schneeweiße Hänge, gepuderte Bäume und Aussichten bis zum Horizont. Später kommt der Lago Nahuel Huapi ins Blickfeld, ein smaragdgrüner See inmitten der Berglandschaft. Bei mir werden sofort Assoziationen zum "Milka"-Bergpanorama wach (siehe Fotos unten). "Milka" gibt es hier ürigens wirklich an jeder Ecke, ganze Kioske sind lila gepinselt und verkaufen die Schokolade (in Originalpackungen mit deutscher Beschriftung).
Der Grenzwechsel ging diesmal übrigens so schnell wie noch nie, an diesem Bergposten ist außer uns auch kaum ein Fahrzeug unterwegs. Auch hier gab es wieder eine halbherzige Fruchtkontrolle, aber ich glaube, den Grenzern geht es hauptsächlich darum, mal ein exotisches deutschen Wohnmobil von innen zu sehen, denn richtig gesucht, geschweige denn gefunden, haben sie nichts. Und dabei hatten wir Honig, Zwiebeln, Kartoffeln, Milch und weitere "streng verbotene" Güter an Bord.
Nun sind wir bereits im argentinischen Patagonien angekommen (das eigene große Kapitel "Patagonien" folgt dann nach Abschluss des Seengebietes) und müssen uns auch erstmal entsprechend ausrüsten: Jonas und Steffi bekommen in Bariloche kälte- und nässefeste Schuhe und einen Fleece-Pulli.
Bariloche ist das Zentrum für Winter- und Outdoor-Aktivitäten, entsprechend geschäftig geht es hier zu: Eine große Einkaufsstraße im Blockhütten-Design und abwechseln Geschäfte für Winterbekleidung und Schokolade (absolute Spezialität hier). Außerdem schulklassenweise Ausflügler.
Dass es nachts nun richtig kalt wird, erkennen wir auch daran, dass unser Frontscheibenriss wächst und gedeiht wie noch nie, manchmal 5cm pro Tag (bzw. Nacht).
Wir fahren weiter südlich am Lago Nahuel Huapi entlang und stoßen auf die berühmte Routa 40, die Argentinien von Süden nach Norden auf über 5.000 Kilometern durchzieht und die wir auch schon ganz im Norden, in Salta und Cafayate Richtung Bolivien, befahren hatten. Nun fahren wir nach Süden und machen Station in El Bolsón. Spezialität des Ortes scheinen "Cervecerias Artesanales" zu sein, also hausgemachtes Bier. Warum nicht.
Bevor wir weiterfahren, tanken wir noch einmal auf. Das gibt Gelegenheit für ein bißchen Statistik: Bis jetzt haben wir ca. 2.000 Liter Diesel verfahren und - da wir meist schon bei halbleerem Tank tanken - mindestens vierzig Mal getankt. Das Tanken findet in Südamerika grundsätzlich nur mit Tankwart statt, deswegen nützen auch die hochmodernen Tankstellen mit zwölf Säulen nur etwas, wenn es auch zwölf Tankwarte gibt. Im Norden hieß es immer "Diesel? Completo?", was soviel heißt wie "Diesel, volltanken!". Im Süden wird "completo" offenbar etwas anders interpretiert, da heißt es "randvoll": Immer wieder erleben wir, wie betankt wird, bis es oben rausläuft, einmal hat der Tankwart sogar durch "reinrütteln" versucht, noch ein paar Tropfen unterzubringen (er hat allen ernstes unser Auto geschüttelt). Da man auch direkt beim Tankwart bezahlt und dieser gerne Scheine ohne Wechselgeld will, versucht er immer auf glatte Beträge zu tanken. Damit fängt er aber erst an, wenn der Tank eigentlich schon voll ist...
Auf dem Rückweg von unserem erneuten Abstecher nach Argentinien stoppen wir in Villa La Angostura, dem ersten Ort auf der argentinischer Seite des Passes. Ein sehr entspanntes Fleckchen mit einer schicken Einkaufstraße aus lauter Holzhäusern und Blockhütten und wir müssen gestehen, unsere europäischen Shopping-Gelüste werden ein wenig geweckt (Winterklamotten...). Wir haben einen tollen Stellplatz inmitten einer parkartigen Landschaft, riesige Vögel kreisen um uns und abends gibts ein kleines Lagerfeuer. Wir erkunden außerdem verschiedene Halbinseln im Lago Nahuel Huapi (Jonas "wandert" die ganze Strecke in gebückter Haltung, seinen Spielzeugbagger schiebend) und haben tolle Ausblicke auf tiefgrüne Buchten und im Hintergrund die weißen Berge der südlichen Anden (im Ort sieht man auch den ein oder anderen Skifahrer mit entsprechendem Teint. - Farbton "Mahagoni").
Für einen Fotostopp halten wir in der ansich recht solide aussehenden, aber steilen Böschung neben der Straße, doch beim Wiederanfahren will der Gelbe partout nicht die Steigung durch loses Geröll hinauf zur Straße. In kürzester Zeit graben wir uns mit den Vorderrädern ein und im Geiste spiele ich schon die Abfolge "Spaten auspacken - Matten unterlegen - Raupe anfordern" durch. Wir lassen uns immer weiter zurückrollen, um eine neue Stelle "mit Grip" zu finden - eigentlich keine gute Idee, denn umso mehr Steigung muss man später wieder hoch - doch am Ende schaffen wir es, sehr schräg allmählich wieder die Straße zu erklimmen. Zurück in Angostura genießen wir erstmal ein Guiness im örtlichen Irish Pub und lauschen den Klängen von U2 bevor es zu unserem Stellplatz geht.
Einziges Mako der Idylle: die angeblichen "duchas de extravaganza" sind eiskalt und die Körperpflege durchläuft eine gewisse Durststrecke. Auch die Entsorgung unserer Camper-Toilette gerät zur Herausforderung, weil die örtlichen Chemie-Produkte bei weitem nicht an die Wunderwirkung unserer Erstaustattung an "AquaKEM blue" herankommen, das aktuell zu neige geht. Wir verschweigen Details und auch hinter welchem Baum wir den 20L Tank...
...und dann fahren wir auch schon wieder über den Grenzpass nach Chile (Pass-Stempel Ausreise, Auto abmelden, Pass-Stempel Einreise, Auto anmelden, Zollkontrolle. Und das alles in 30 Minuten) und sind zurück im Seen-Gebiet, genauergesagt in der Hochburg deutscher Auswanderer "Frutillar"... (siehe Kapitel "Seen-Gebiet" ganz unten)