Wir reisen nach Chile ein über Arica, bzw. genauergesagt den Grenzübergang "Chalutta". Hier ist alles etwas größer als bei unseren bisherigen Grenzübergängen, mitten in der Wüste eine große Anlage von Schaltern, Polizei- und Zoll-Gebäuden, Fahrspuren, etc. Wir wissen, uns steht die gefürchtete "chilenische Fruchtkontrolle" bevor (sämtliche frische Produkte, sogar Honig, dürfen nicht eingeführt werden). Auch dieser Grenzübergang hält einen Clou für uns bereit: Man braucht das ausgefüllte Formular "Relation Vehiculo y Pasajeros" belehrt uns die Grenzerin, nur dass es dieses Formular an der Grenze selbst (geschweige denn gratis am Schalter) nicht gibt. Man hätte es sich vorab 'irgendwo' besorgen müssen (hier ist aber keine Stadt...). Schließlich kaufen wir es einem Taxifahrer ab, der mehrere dabei hat (€3,- ein sehr gutes Geschäft für ein Stück Papier für ihn).
Die Fruchtkontrolle fällt dann milde aus, ein grober Blick in unsere Schränke reicht der Aduana.
In Arica stehen wir auf dem Gelände der La Posada direkt am Strand. Der Besitzer spricht deutsch, ist nach eigener Aussage gebürtiger Kölner und hat sich nach Stationen in Bolivien hier niedergelassen. Zeit mal wieder "Hausputz" zu machen; wir lassen unsere Wäsche waschen und besorgen in Arica alle möglichen Einkäufe. Der Wohlstandsunterschied zwischen Peru und Chile ist deutlich zu sehen. Hier besitzen die Leute privat Autos (ohne Gelegenheitstaxifahrer zu sein), tragen Modemarken, geben Geld für "Spaß" aus und das kleine Arica (200.000EW) hat zwei echte Kaufhäuser (es gibt "Kühne" Gewürzgurken).
Auch unser Gelber bekommt mit tatkräftiger Unterstützung von Jonas die erste gründliche Wäsche seit Bolivien.
Die Fahrt geht weiter südöstlich durch die Wüste. Teilweise sehen wir, wo wir in 50km sein werden, die Straße führt immer geradeaus und außer Sand und Fels gibt es nichts, das den Blick verstellt oder Abwechslung bietet.
Abends ist eine "schwere Reparatur" nötig: Die Birne vom Hauptscheinwerfer ist kaputt. Eine Lapalie, aber dank der kompakten Motorhaube des Renault-Master nur mithilfe von Steffis Schminkspiegel zu machen.
Wir passieren den "El Gigante de Atacama", eine große, vor tausend Jahren in das Geröll gescharrte Figur irgendwo im nirgendwo.
Weiter kommen wir an Humberstone vorbei, einer Geisterstadt, die während der Boomphase des Salpeterabbaus seine Blüte hatte.
Überhaupt wird Richtung Chuquicamata die Minentätigkeit an der Anzahl der entgegenkommenden LKWs immer deutlicher. Hier werden jicht nur unzählige Tonnen Erz und Abraum durch die Gegend gefahren, sondern auch Tankwagenladungen von Schwefelsäure zur Auslösung des Kupfer-Erzes. Chuquicamata ist die größte Kupfermine der Welt, die ganze Stadt Camana lebt davon.
Ich beobachte die Tankanzeige, die neuerdings verdächtig langsam sinkt. Ich vermute einen Defekt und stelle mich ab nun auf Kilometer-Rechnen ein, um nicht versehentlich den Tank leerzufahren. Doch nein, die Anzeige stimmt - seit wir in Chile sind, verbrauchen wir 30% weniger! Das muss wohl eine Kombination aus besserem Diesel, Fahren im 6. Gang auf der PanAm und der geringeren Höhe sein. Umso besser!
Wir wollen uns mit den Superlativen und Lobpreisungen nicht wiederholen, aber was Cafayate in Argentinien und der Quinta Lala Campingplatz in Peru ist, das ist San Pedro de Atacama im Norden Chiles: Ein tiefenentspanntes Plätzchen. Nach der Anreise über die wohlhabende Minenstadt Camana, in der sich alles um die große Kupfermine Chucicamata dreht und in der es - soweit wir es beurteilen können - gelungen ist, den unglaublichen Reichtum des Kupfervorkommens auf alle zu verteilen (Potosi in Bolivien war da ganz anders), sind wir in San Pedro in einer ganz anderen Welt. Hier treffen sich Traveller, Abdenteuerlustige, Mountainbiker, 4x4 Bolivientourer, Lagunenschwimmer, kurz: ein buntes Völkchen. In jedem im Adobe-Stil erbauten Haus ist ein Restaurant, Hostal oder Lama-Pulli-Shop. San Pedro hat auch wirklich Einiges zu bieten, denn die öde Atacama-Wüste zeigt sich hier mit Vulkankratern, flamingogeschmückten Salztümpeln, schneebedeckten Gipfeln, Geysieren und dem "Valle de la Luna".
Wir stehen in einer gartenartigen Hostal-Anlage mit Pool, Grillplatz und lehmfarbenden Bungalows.
Wir buchen keines der unzähligen Tourangebote, sondern fahren selbst mit dem Gelben zu den Lagunen (Schotterpiste natürlich) und ins Valle de Jere: Flamingos tapsen vor Vulkankulisse im Salzwasser. In einer kleinen Höhle im Valle de Jere finden wir zufällig menschliche Totenschädel. Ob die jetzt antik sind oder hier neuzeitlich Verstorbene verscharrt wurden, bleibt unklar.
Die Häuser und Straßen in San Pedro sind allesamt aus Lehm, was bei diesen Klimabedingungen ein prima Baustoff ist: Die Straßen werden ab und zu mit dem Wasserwagen besprenkelt und mit der Zeit ergibt sich ein betonharten Belag, der, weil es nie regnet, auch nie wieder aufweicht. Genauso die Häuser: Lehm wird auf Bambusdächer und Wände gestrichen und einige Male befeuchtet, danach hält das mangels Regen für die Ewigkeit.
Nachtrag: Am nächsten Tag fahren wir von San Pedro zurück an die Küste und erleben einen Wetterumschwung: innerhalb von Minuten fällt das Thermometer von morgendlichen 15 Grad auf 2 Grad und es fängt tatsächlich an zu schneien! Schnee in der Wüste, wo wir gestern noch so geschwitzt haben. Von daher muss ich auch korrigieren, dass es hier "nie regnet".
Später hörten wir, dass kurz nach unserer Abfahrt diverse Straßen wegen Überschwemmungen gesperrt wurden und San pedro zwischenzeitlich nicht verlassen werden konnte.
In Calama finden wir auch noch eine große Gas-Abfüll-Station, die uns ohne Probleme unsere Flasche mit deutschen Ventil füllt. Wunderbar, jetzt haben wir in der Zweitflasche für mindestens weitere sechs Wochen Energie an Bord.
Nach San Pedro steuern wir die Hafenstadt Antofagasta an. Drei Stellplätze sind allesamt südlich der Stadt am Strand verzeichnet und wir gehen davon aus, dass es dort besonders schön ist. Um es kurz zu machen: das kann man nicht behaupten, ein eher heruntergekommenes Eckchen. Auf unserem schäbigen Platz sind allerdings mehrere Hüpfburgen für ein Kinderfest aufgebaut, nur die Kinder fehlen. - Ein Paradies für Jonas, er erklimmt sogleich die Attraktionen. Später - so werden wir gewarnt - soll angeblich eine große Fiesta stattfinden, aber bis 21:30h passiert rein gar nichts. Erst als wir gerade tief schlafen, ertönen Bässe, die gesamte Jugend versammelt sich auf dem Platz vor unserem Auto und tatsächlich ist bis zum nächsten Morgen um 08:00h "Party" und an Schlaf nicht zu denken. Unsere schlafloseste Nacht bislang, aber ok, wir waren vorgewarnt.
Der "Pan de Azucar" Nationalpark bietet spektakuläre Felspanoramen, wirklich einsame Strände und vorgelagerte Inseln voller Pinguinen, Seelöwen und Pelikanen. Ein echtes Paradies in dem wir sogleich beschließen, zwei Nächte zu bleiben. An einem wunderschönen Stellplatz alleine an einem riesigen Strand mit Blick vom Bett aufs Meer richten wir uns ein.
Wir fragen zwei Fischer, die uns mit einem kleinen Boot zu den Pinguin-Inseln schippern und Jonas sieht endlich seine ersten Pinguine (seit Beginn der Südamerikaplanung haben wir das versprochen).
Über ein paar weitere verschlafene Pazifik-Örtchen, die jeweils durch lange Schotterpisten von der PanAm aus erreichbar sind, fahren wir weiter südlich.
...und dann verlassen wir nach zwei langen Wochen die Atacamawüste und die Panamericana und fahren ins Landesinnere, ins urige Elqui-Tal, dort wo Wein und der berühmte Pisco-Weinbrand hergestellt werden. Mehr dazu unter "Chile-Mitte"