Jeder Länderbericht beginnt naturgemäß mit einem Grenzübergang und wie es scheint, halten alle bislang so ihren Abenteuerfaktor für uns bereit.
Nach dem stundenlangen Warten beim Übergang von Argentinien zu Bolivien hatten wir diesmal einen Plan: Wir fahren ganz früh los und sind bei Grenzöffnung um 08:30h schon da. Außerdem ist Samstag, wo allgemein weniger Verkehr ist.
Soweit, so gut, nur dass Feriensamstag ist und tausende Peruaner nach Bolivien fahren. Macht ja nix, wir fahren in die andere Richtung. Macht doch was: Unsere Autoanmeldung in Peru ist am gleichen Schalter wie die 150 Leute, die ihr peruanisches Auto für die Bolivieneinreise abmelden müssen (ich habe gezählt, vor mir standen 150 Leute). Die Warteschlange windet sich einmal um das Aduana-Gebäude, in der inzwischen gleißenden Sonne. Vordrängler werden von der Meute gnadenlos, aber im Spaß ausgebuht, es scheint eine Art Spiel zu sein. Als ich dann nach ca. 2 Stunden dran bin, sagt der Beamte "Einreise? da hätten Sie sich doch nicht in die Schlange stellen müssen". Danke, guter Tipp fürs nächste Mal. Da in Peru die Uhren eine Stunde zurückgestellt werden, haben wir immerhin nicht ganz so viel Zeit verloren. Zwischen endlosen Essens- Knallkörper-, Konfetti- und anderen Ständen zur Versorgung der Wartenden (ja, richtig gelesen: Knallkörper und Konfetti. Hier wird ja öfter mal irgendwas gefeiert) schlängeln wir uns hindurch aus dem Grenzort heraus. Dass in den bolivianischen Papieren ein "weißer Mitsubishi" registriert war, der so gar nicht zu unserem gelben Renault passte, hat bei der Abmeldung übrigens niemanden interessiert. Wie gesagt: Hauptsache viele bunte Stempel drauf...
Dann fahren wir nach Puno am Titicaca-See und campieren auf dem Gelände des Posada del Inca Hotels am See.
Am nächsten Tag unternehmen wir eine Bootstour zum Stamm der Uros, die seit Jahrhunderten auf schwimmenden Schilf-Inseln auf dem Titicaca-See leben. Jeweils ca. 50x50m große Inseln werden aus dem Schilf Schicht für Schicht gebaut und darauf dann (Schilf-) Hütten und alles was man zum Leben braucht errichtet. Alle 25 Jahre sind die Inseln verrottet, dann baut der Familienclan eine neue.
Jeder Schritt auf diesen "schwimmenden Dörfern" schwankt und man hat leicht das Gefühl, gleich durch eine besonders dünne Stelle im See zu verschwinden.
Eine faszinierende Kultur, die sich heute zwar dem Tourismus öffnet, aber nichts von ihrer Ursprünglichkeit verloren hat.
Dann erreichen wir Cusco, den klassischen Ausgangspunkt für eine Tour zu den Machu Picchu Ruinen. Der Quinta Lala Campingplatz in Cusco ist sicherlich der entspannteste Ort unserer bisherigen Reise. Eine kleine Wiese, umgeben von Wald und Bergen und Blick auf Cusco. Hier stehen diverse Weltreisende mit riesigen 4x4 (sogar ein 6x6 MAN Truck ist dabei) -Mobilen, die teilweise schon mehrfach die Welt umrundet haben und illustre Geschichten auf Lager haben. Eine schöne Gemeinschaft, auch Familien mit Kindern sind dabei und Abends gibt es ein großes Lagerfeuer mit Musik (iPod-Station sei dank), Marshmellows und Cusquena-Bier. (Der Mitsubishi-Geländewagen eines Pärchens braucht eine Reparatur und wird von versierten Helfern an Ort und Stelle eine Woche lang auseinandergebaut - bis sogar die Kolben in Einzelteile zerlegt sind. Würde ich sowas tun, hätte ich absolute Gewissheit, dass ich das nie wieder richtig zusammen bekäme. - Später hörten wir dann [kein Scherz], dass Startversuche in einem Feuer des Autos und des darüberbefindlichen Bambuspavillons endeten...).
Hier rasten wir insgesamt eine Woche und täglich wandern wir steil den Berg hinab in die Stadt (um dann abends mit dem Taxi wieder bergauf zum Stellplatz gebracht zu werden). Ein Ort voller Backpacker und Reisender, tollen Kolonial-Gebäuden, Plazas, Kneipen mit Holzbalkonen und dem leckersten Restaurant unserer Tour bislang (Cicciolina). Und von hier unternehmen wir unsere Machu Picchu Tour, siehe unten.
Machu Picchu - die sagenumwobenen Inka-Ruinen - sind in der Tat ein besonderes Erlebnis. Es fängt mit der Anreise an: Nur gute 100km von Cusco entfernt, wir fahren zunächst 2 Stunden mit dem Bus zum Bahnhof in Ollantaytambo auf halber Strecke. Von dort aus fährt der eigentliche Zug (Inka Rail) durch das Heilige Tal, auf abenteuerlicher Strecke in engen Kurven, durch Tunnel und immer haarscharf an der felsigen Schlucht entlang, bis Machu Picchu Pueblo / Aguas Calientes. Dort übernachten wir in einem Hostal, dass geruchstechnisch seinem Namen "Puma Inn" alle Ehre macht. Alles ist klamm und müffelt, aber Luxus hatten wir auch nicht erwartet. Am nächsten Morgen bringt uns ein weiterer Bus steil hinauf zum Eingang von Machu Picchu. Ich bin immer noch der Meinung, die Busse hier haben Vier-Rad-Lenkung, anders kann ich mir nicht erklären, wie sie die Serpentinen bewältigen.
Machu Picchu beeindruckt: Ein riesiges Areal, mit unzähligen, waagerecht angelegten Terassen und das mitten zwischen den fast senkrecht-steilen Bergen. Am Horizont schneebedeckte Fünf- und Sechstausender, in der Anlage Lamas, die gemütlich zwischen den mörtellos millimetergenau zusammengefügten Steinquadern grasen. Der Ausblick überwältigt und die ungeklärten Gründe, wann und warum Machu Picchu verlassen wurde, steigert noch die Mystik.
Lasst Bilder sprechen:
Nun wird es für uns allmählich Zeit, wieder südwärts zu ziehen, denn bis Feuerland sind es noch gute 5.000km (Luftlinie) und wir wollen bewährt wie bisher gemächlich reisen und uns auch den Luxus gönnen, hier und da zu verweilen. Weitere Vorstöße in den Norden würden uns ganz bestimmt zu weiteren landschaftlichen Highlights führen (Perus Norden, das tropische Ecuador), wären bei unserem Reisetempo und unserer Zeitspanne von sechs Monaten aber nicht stressfrei möglich. Daher heisst unser neuer Kurs "süd". Daran sieht man auch: Selbst sechs Monate "Urlaub" können "zu kurz" sein.
Von Cusco aus geht es quer über das Hochland Richtung Pazifikküste. 660km, für die man 2-3 Tage benötigt. Zunächst windet sich die Straße in unendlichen Serpentinen hoch und runter (und wieder hoch), dann durchquert sie auf über 4.000m eine karge Hochebene. Die Höhe merken wir kaum, denn auch bei 4.500m liegt hier kein Schnee, nur die sichtbaren 5.000er und 6.000er Gipfel zeigen ihre weißen Gletscherwände. Selbst auf dem abgelegendsten Hochplateau gibt es noch kleine Siedlungen und große Lamaherden (genauer: die kleineren, flauschigeren Alpakas), die mit Vorliebe mitten auf der Straße stehen und auch trotz Hupen nicht weichen. Die dreistesten von ihnen fröhlich auf der Straße kopulierend.
Auch beim Einkauf in einem der winzigen "Supermärkte" merken wir die Abgeschiedenheit der Hochland-Dörfer: Milch gibt es nicht in den üblichen 1L Tetrapacks, sondern nur als Konzentrat in 500ml Dosen. Beim Brot hingegen (Standardform: brötchengroße Fladen) kaufen wir den kleinsten verfügbaren Sack und haben nun ca. 50 Fladen vorrätig.
Nach dem Auftanken ein echter Schreck: Wir werden darauf hingewiesen, dass wir Diesel verlieren. Tatsächlich, es hat sich schon eine Pfütze auf dem Boden gebildet. Wir fahren auf eine nahe LWK-Rampe und der Blick unters Fahrzeug bestätigt: Es tropft in Strömen aus dem Tank. Müssen wir hier (es ist natürlich Sonntag) pausieren? Tank ausbauen, trockenlegen, schweissen? Sofort sind "Helfer" zur Stelle, die uns auf eine nahe Werkstatt verweisen und sogar dort hin geleiten. Auf gut Glück und mit kritischem Blick auf die Tanknadel fahren wir trotzdem weiter. Über Nacht lege ich eine Folie unter den Wagen. Am Morgen die Kontrolle: Und zum Glück kein einziger Tropfen mehr. Die Tankwärtin hatte nur zu beherzt getankt und Diesel war außen am Tank entlang gelaufen... Absicht oder nicht, wir wissen es nicht, hörten aber mehrfach von ähnlichen sehr plötzlichen "Werkstatt Empfehlungen".
Vorbei an der größten Sanddüne der Welt (2.000m, Sandboarding möglich) geht es schließlich hinab nach Nazca. Mit 600m Meereshöhe haben wir das Hochland vorerst verlassen und erahnen den Pazifik.
Ein Flug über die geheimnisvollen Nazca-Linien gehörte für uns natürlich auch zum Programm. Es wird zwar viel über den "achterbahnmäßigen" Flugstil der lokalen Piloten berichtet, aber wenn man die Scharr-Bilder der Nazca-Kultur richtig sehen möchte, muss der Käpt'n die Maschine eben ziemlich schräg stellen.
Zunächst verzögert sich allerdings der Abflug, denn unser Pilot möchte seine spezielle Fotosammlung "Kuscheltiere im Cockpit" mit Jonas Maulwurf (der kleine Maulwurf aus der Sendung mit der Maus) vervollständigen. Als die Bilder im Kasten sind, düsen wir mit der kleinen Cessna dann in einigen hundert Metern Höhe über die Steinwüste und bewundern die Figuren, die vor mindestens 1400 Jahren hier hinterlassen wurden. Niemand weiß genau, wie die präzisen geometrischen Formen entstehen konnten und vor allen warum. Klar ist: Die Figuren sind riesengroß (teilweise einige hundert Meter lang) und absolut faszinierend. Der Rundflug gibt uns zudem einen Blick auf die Panamericana Sur, die sich hier schnurgerade durch die Wüste zieht und auf der wir die nächsten Tage reisen werden. Da die Scharrbilder von Boden aus nicht sichtbar waren und erst in jüngerer Vergangenheit aus dem Flugzeug entdeckt worden waren, baute man die Panamericana übrigens versehentlich quer durch die antiken Hinterlassenschaften.
Auch Jonas fliegt stolz mit (...und zahlt wie ein Erwachsener) und berichtet dem Piloten stolz, er sei auch schon mit einem "großen Flugzeug" geflogen (der 747 nach Buenos Aires).
Aus dem Flugzeug erkennen wir außerdem dem gelb-grünen MAN-Truck von Claire+Jan aus Cusco - nach der Landung statten wir ihnen direkt einen Besuch ab.
Abends wollen wir in der Stadt etwas essen und bestellen dazu ein Taxi. An der Straße wartend sind wir dann aber doch zu ungeduldig und steigen in eines der zahllosen, auffordernd-hupenden Hobbytaxis (Privatwagen, die sich durch Taxifahrten etwas dazuverdienen, natürlich ohne Taxameter). Dieses Auto ist ein Phänomen: Es fährt, obwohl eigentlich alles fehlt, was nach den Regeln der Physik zur Fortbewegung nötig ist. Sämtliche Verkleidungen sind abgebaut, diverse Kabel hängen lose herum, es gibt keine Abgrenzung zum Kofferraum und die Reifen sind profillose Slicks (Reifen werden hier übrigens grundsätzlich nicht nur "sehr weit" abgefahren, sondern sie werden schlicht gefahren, bis sie platzen). Wir kommen dennoch gut in der City an und bezahlen einen extrem günstigen Preis.
Bei Nazca führt die Panamericana Sur noch schnurgerade durch die Geröllwüste. Doch schon wenig südlicher gibt es selbst hier auf der "Küstenstraße" schon wieder etliche Serpentinen: Die Anden beginnen wirklich "direkt am Strand" und schon 300m hinter dem Strand kann man sich auf 300m Höhe befinden. Die Straße hat keine einzige Brücke und so führt sie in jedes kleine Seitental hinein und nach einer Spitzkehre wieder heraus.
Zunächst besuchen wir hinter Nazca noch die Gräber von Chauchilla, hier sitzen historische Mumien in offenen Grabkammern, die Körper in Tücher gehüllt, die Schädel oben drauf.
Die Landschaft wandelt sich von flacher Geröllwüste in bergige Dünenwüste (keine Ahnung, wie die Straße an der Steilflanke der riesigen Sanddünen überhaupt hält. Zur Bergseite hin gibt es jedenfalls kleine Mauern, gegen den herunterrieselnden Sand) und dann wieder in ein Mars-artiges Hochplateau auf dem es bis zum Horizont nichts gibt, als roten Sand. Die Straße spiegelt sich in der Hitze und der Horizont verschwimmt zu einer unscharfen Linie aus dem Blau des Himmels und dem Grau der staubigen, flirrenden Luft. Am Straßenrand offizielle Schilder "Keine Steine auf die Straße legen" und "Keine Autoreifen auf der Straße abbrennen". Wertvolle Hinweise für ein unbeschwertes Reisen (Peruaner drücken Proteste mit Vorliebe durch Straßenblockaden aus).
Mitten im Nichts stehen wild verteilt klitzekleine Hütten aus Bambusmatten (3x3m große Bambusmatten kann man bei Straßenhändlern kaufen; vier Stück davon und eine fünfte als Dach ergeben eine Hütte). Hier schürfen Peruaner unter ärmsten Bedingungen nach Mineralien. Am Meer stehen die gleichen Hütten als Fischer-Unterschlupf.
Überhaupt das Meer: Wir sehen den Pazifik! Nach dem wir in Buenos Aires den Atlantik in Form des Rio de la Plata zu letzt sahen, sind wir nun, zwei Monate später wieder am Wasser und finden in Puerto Inka für zwei Tage in ein kleines Paradies. Hier hat auch unser Bundeswehr-Berge-Spaten seinen ersten Einsatz, allerdings nicht, weil wir uns festgefahren haben, sondern weil Jonas den Bau mehrerer Sandburgen befiehlt.
Dann führt die Panamericana Richtung Chile allerdings auch schon wieder vom Wasser weg und es geht weiter durch die Wüste.
Peru war ein tolles Reiseland mit vielen beeindruckenden Highlights, vom Titicaca-See, über Cusco bis Nazca. An Tankstellen und geteerten Straßen hat es fast nie gemangelt. Vieles ist (noch?) provisorisch oder mal unorganisiert, aber es herrscht die richtige Mischung aus "Machbarkeit" und Abenteuer und Improvisation. Deutlich zu spüren ist der Wille der Peruaner, etwas aufzubauen. Camping-Infrastruktur darf man allerdings (noch?) nicht erwarten, man steht des öfteren mal hier und da "im Feld" oder auf Hostal-Parkplätzen.
Den berüchtigten Fahrstil der Peruaner fanden wir übrigens ganz sympathisch, Verkehrsregeln werden eher als unverbindliche Empfehlung angesehen und niemand schert sich um die genaue Einhaltung der Geschwindigkeit, von durchgezogenen Linien oder Stoppschildern, aber alles in einem unagressiven Maße. Auch die Polizei interessiert dies alles nicht, die interessiert eher die Anzahl der Stempel in den Papieren.
Im Vergleich fiel uns dann in Chile die fast schon spießig genaue Einhaltung der Regeln auf (bei "Tempo 100" wird Strich-100 gefahren, bei Bahnübergängen und Stoppschildern - und sei es in einer Geisterstadt - wird artig zwei Sekunden gestoppt)
Nun geht es für uns also weiter in Chile.